Zweiter Kajak

Einige Jahre später war der Fehlschlag soweit verdrängt, dass ein neues Projekt zunehmend Hirnschmalz einfordern konnte: ein faltbarer Eskimokajak sollte es nun sein. Als Boot für Ferien- und Gepäckfahrten benutze ich seit langem einen 450 S von Pionier, einer leider eingegangenen Faltbootwerft, die seinerzeit ausgezeichnete Boote baute. Der Einer läuft gut und schluckt unglaubliche Mengen Fahrtengepäck, ist aber relativ voluminös und langsamer als schmale, modernere Boote. Christian Altenhofers Buch »Der Hadernkahn« und die darin abgebildeten, teilweise selbstgebauten Boote waren wohl der entscheidende Auslöser.

Nun wurden alle erreichbaren Risse studiert und es wurde ein Boot entworfen, das den hochfliegenden Ansprüchen genügen sollte. Diese Phase dauerte etwa zwei Jahre, in denen ich ständig die Pläne änderte, hin und her überlegte und mich an Details festbiss. Letztlich war es ein Klepper Aerius Zweier, der die dann gebaute Konstruktion bestimmte. Ich schlachtete ein altes Boot aus, da mir die Beschläge gut gefielen und ich mir nicht zutraute, Ähnliches selbst herzustellen. Obendrein ließen sich die Bordwände mit kleinen Änderungen wie dem Versetzen der Spantbefestigungen und dem Kürzen der Länge wiederverwenden. Das Kajak hat eine Länge von 5,00 m und eine Breite von 55 cm. Die Steven fallen in sich gerade mit großem Überhang aus, so dass die Länge der Wasserlinie etwa 4,4 m beträgt. Ein Deckstab verleiht dem Vorderdeck eine nur geringe Firstung, die einerseits den Wasserablauf sichern soll, aber andererseits der geringeren Windanfälligkeit halber möglichst flach sein sollte. Die Sitzluke ist ein formverleimtes Holzteil, das mit Klepperbeschlägen analog zum Aerius mit dem Bootsgerüst verbunden wird. Die Befestigung der Haut habe ich ebenfalls bei Klepper abgeschaut. Die Luke selbst ist ca. 70 cm lang, hinten abgerundet, vorne spitz (um der Firstung des Vordecks folgen zu können) und wurde der Luke eines Pionier-Wildwasserfaltbootes nachgebaut. Einmal dabei, Material zu recyclen, baute ich einen Leiterkiel aus dem alten Klepperteil. Das bewirkte einen relativ runden Hauptspant und einen sehr geringen Kielsprung ... und war der Grund, sofort nach den Probefahrten einen komplett neuen Kiel als Mittelkiel, neue Spanten und eine neue Haut zu bauen, so dass von dem ursprünglichen Boot nicht sehr viel nachblieb. Warum das? Das Boot war vor dem Umbau sehr rank, hatte viel Freibord, lief partout um keine Kurve (jedenfalls nicht ohne stark anzukanten) und war sehr luvgierig. Um dem abzuhelfen, bekam der Mittelkiel nun einen deutlichen Sprung und zusätzlich eine am Heck angesetzte Flosse. Für diese stand der Hartel-Kajak Pate, sie ist also ein voll integrierter Teil des Rumpfes. Um das Gerüst trotzdem ins Heck zu bekommen, ist der Hecksteven (wie auch der Vordersteven) geteilt ausgeführt, das heißt, ein Teil verbleibt beim Abbau in der Haut. Dies hat den großen Vorteil, dass man eine Metallschiene auf die empfindlichen Steven schrauben kann und so einen optimalen Schutz erhält. Dieses Bauprinzip habe ich mir bei meinen Pionierbooten abgeschaut. Die Veränderung des Unterwasserschiffes bewirkte ein insgesamt geringeres Volumen sowie eine deutlich höhere Anfangsstabilität. Die Kursstabilität ist unverändert hoch.

Ein großes Problem bestand für mich in der Herstellung der Haut. Nach schlechten Erfahrungen mit einer aus PVC-Plane gefertigten ersten Haut, entschied ich mich im zweiten Anlauf Hypalon zu probieren. Bereits die Beschaffung stellte sich als recht knifflig heraus. Endlich bekam ich bei einem Hersteller einen Restposten zweiter Wahl, dessen Mindestmenge dafür aber gleich für mehrere Boote reichte. Die geringe Dehnbarkeit des Polyesterträgergewebes machte es erforderlich, ein Unterwasserschiff aus drei Bahnen zu bauen, um eine faltenfreie, glatt anliegende Haut zu erhalten. Die Bahnen wurden 3 cm überlappend verklebt und doppelt vernäht. Zur Abdichtung und als Scheuerschutz kamen Kielstreifen darüber. Das Deck ist aus blauem Baumwollgewebe, 450 g/m² mit einem Stück Hypalon vor der Luke, um die Knie vor durch die Baumwolle dringende Nässe zu schützen. Das nun endlich fertiggestellte Kajak verdient diese Bezeichnung, sieht hinlänglich elegant aus und weist zufriedenstellende Fahreigenschaften auf. Insbesondere die Größe der Flosse ist (durch Zufall, nicht durch Berechnung) optimal und erlaubt zusammen mit leichtem Gepäcktrimm ein windneutrales Fahren. Auf ein Steuer habe ich verzichtet, obwohl ich es an meinem Pionier nicht missen möchte. Das Problem der Befestigung, stabil und an einer sinnvollen Stelle, konnte ich aber nicht lösen. Gleiches gilt für den Skeg. Bei den bisherigen Fahrten kam ich aber immer gut ohne ein Steuer zurecht. Die Kursstabilität in Wellen ist noch gut, die Wendigkeit ausreichend. Insgesamt fühle ich mich im Wellengang deutlich wohler als im Pionier 450 S und finde das Kajak trotz der kleinen Mängel gelungen.