Den RZ 96 der Anhaltiner Faltbootwerft "Poucher Boote" habe ich mir im Sommer 1996 gekauft. Eigentlich wollte ich gar kein Neuboot, konnte aber in der mir zur Verfügung stehenden Zeit kein akzeptables Gebrauchtboot finden.
Faltboot.de.org gab es damals noch nicht und nach dem Diebstahl meines E65 vier Jahre zuvor waren die Kontakte zur Paddelszene auch nicht mehr die frischesten. Also spazierte ich völlig blauäugig in den erstbesten Kanuladen und da lag er: ein wunderschöner, schwarz-oliver Aerius-Zweier in Expeditionsausstattung. Fantastisch, auch im Preis. Rasch runter von der Stellage, schon überzeugte mich eine Sitzprobe - edle Ausstattung, schöne Verarbeitung...vielleicht war das Boot sein Gewicht in Gold ja wirklich wert ? Der zweite Aerius in der Stellage sah mit seinem roten Verdeck aber irgendwie noch schicker aus, den wollte ich mir auch näher ansehen. Der Verkäufer bremste: "Das ist kein Aerius, das ist ein Poucher!" Eine LangeLeitungSekunde später meine Reaktion: "Poucher - die gibts noch? Echt?" Tja, und dann gab eine Mischung aus E65-Nostalgie, OstPro-Feeling und meiner alten Vorliebe für die Farbe rot den Ausschlag zugunsten des RZ96. Ich habe es -mit Unterbrechungen- nicht bereut.
Das Boot stammt vom RZ85 ab. Es unterscheidet sich von diesem durch zusätzliche Seitenluftschläuche und einen anderen, etwas einfacheren Gerüstaufbau. Auch das Beschlagsystem ist neu. Meines Wissens gab/gibt es verschiedene Evolutionsstufen, die sich in der Beplankung von Boden- und Seitenleiter (durchgängig oder unterbrochen) und dem Beschlagsystem (ganz alt: untaugliche Gummimuffen; etwas neuer: funktionale Vierteldrehbeschläge aus verzinktem Irgendwas; oder aktuell: idiotensichere Edelstahl-Klappbeschläge) unterscheiden.
Ganz klar positioniert Pouch seinen 96er gegen den Klepper Aerius. Ich denke, daß ihnen das sehr gut gelungen ist.
Die Freude
Die guten Fahrleistungen eines RZ85 erreicht der zwar 96er nicht, trotzdem zähle ich ihn zu den flotteren Zweiern. Erst bei Beladung bis zum Anschlag wird die Fortbewegung deutlich zäher. Genial ist der enorme Stauraum, mit welchem die mögliche Zuladung wirklich ausreizbar ist. Das führt bei der Auswahl der mitzunehmenden Utensilien leicht zu unpassender Grosszügigkeit. Zahlreiche Mitumtrager können darüber ein Lied singen. Dass so ein Schlachtschiff stabil ohne Ende und ein guter Geradeausläufer ist, dürfte klar sein.
Wer den Aufbauärger mit manchen RZ85 kennt, wird vom RZ96 positiv überrascht sein. Alles geht nahezu kraftfrei und flott, nur der Süllrand mit seinen 10 Schrauben braucht etwas Zeit.
Das Boot bin ich 2 Jahre lang auch hin und wieder gesegelt. Als Rigg hatte ich ein Pouch "Pazifik". Das ging auch ziemlich gut, mit einem grösseren Steuerblatt ist der 96er von allen Faltzweiern mein Segelfavorit. Verwöhnt vom Jollensegeln und verschreckt vom enormen, nicht tourentauglichen Packmass des Riggs habe ich die Segeleinrichtung aber wieder verkauft.
Der Ärger
Das Boot ist dank der massiven Bauweise ziemlich schwer. Das auf 150 cm verkürzte Packmass ist hervorragend für den Transport im Auto, erschwert dafür aber den artgerechteren Transport per Bahn und Bootswagen. Hier habe ich mir immer mit eingeschobenen Paddeln als Deichselverlängerung geholfen. RZ-typisch ist dagegen wieder die viel zu tiefe Sitzposition, wir sitzen darum schon seit Jahren mittels Packsäcken fast auf Süllhöhe. Das ist auf dem ersten Bild rechts oben gut zu sehen.
Die schon erwähnten neuen Beschläge erwiesen sich als Reinfall: Während die seit 2005 verwendeten Edelstahlbeschläge wirklich brauchbar sind, hatte mein Boot noch so eine Art Steckmuffen aus Gummi. Im Neuzustand durchaus brauchbar, waren sie bereits nach zwei Saisons so ausgeleiert, daß schon blosses Anheben des leeren Bootes die Verbindungen zwischen Spant und Bordwand trennte.
Die Änderungen
Nach einer nervenaufreibenden Muldetour habe ich 1998 Kielstreifen angeklebt. Im Jahr 2000 wurde das Boot auf die damals neuen Vierteldrehbeschläge umgerüstet. Diese erwiesen sich trotz Verzinkung als korrosionsanfällig, sind aber dank entsprechender Pflege auch heute noch funktional. Vorn und hinten hat die "Dicke" Inspektionsluken aus dem Seglerbedarf verpasst bekommen, was sich wegen der enormen Länge von Vor- und Achterschiff beim Gepäckstauen immer wieder als Segen erweist.