Baidarka
»Es scheint mir, dass die Baidarka der Aleuten so überlegen in ihrer Art ist, dass sogar ein Mathematiker kaum etwas zur Perfektion ihrer Seefähigkeit beitragen könnte.« (Veniaminow 1840)
Das vorangestellte Zitat ist eines der beliebtesten für solche Zwecke und angetan, die Neugier eines jeden, der sich mit Kajaks für See und Küste beschäftigt, aufs äußerste anzustacheln. Ein wenig merkwürdig in der Erscheinung mit einem gespaltenen Bug, einer sehr weit hinten befindlichen Sitzposition und einem wie abgebrochen wirkenden Heck, entsprechen sie so gar nicht dem Bild eines arktischen Hochseejagdbootes, das von westgrönländischen Kajaks geprägt ist. Und solche Boote sollen besser sein als die wunderschönen grönländischen Boote mit ihren elegant fließenden Linien? Ich jedenfalls war sehr neugierig. Das Wort Baidarka kommt aus dem russischen und bezeichnet die ein- und zweisitzigen Boote der Aleuten und Kodiaks, die von den Russen während der Kolonialisierung Alaskas als wichtiges Transportmittel übernommen wurden – natürlich gebaut, gewartet und vorangetrieben durch Einheimische. Bei weitergehendem Interesse an der Geschichte der Baidarka empfehle ich die im Anhang aufgeführte Literatur. Dazu ist im Internet eine Fülle an Informationen erschienen, fast ausnahmslos in Englisch, aber teils gut bebildert.
Rudi Cooymans aus Kiel baute neben grönländischen Kajaks auch Baidarkas in traditioneller Bauweise nach originalen, meist in Museen befindlichen Booten und war wie seine Frau Ulla überaus begeistert von den Eigenschaften. Auf zahlreichen gemeinsam unternommenen Fahrten an der Ostseeküste gewöhnte sich mein Auge an die anfangs als häßlich empfundene Form, mein Ohr hörte begeisterte Schilderungen vom Fahrverhalten, aber meine Beine weigerten sich standhaft, sich in so ein Boot (mit von Cooymans bevorzugter, grönlandtypischer Sitzluke von 42 cm Durchmesser) einfädeln zu lassen. Andere Baidarkas waren mir leider nicht zugänglich. Da ich nun meine Neugier nicht direkt befriedigen konnte, bat ich meine Liebste als hoffentlich unvoreingenomme Testperson um eine Probefahrt. Ihr Kommentar nach deren Beendigung war denkbar knapp und lautete: »Bau so eins!« Tscha. Nun wurde also wieder mal mit dem Literaturstudium begonnen. Dankenswerterweise gibt es eine große Menge an Literatur sowie etliche Risse von Baidarkas. In Nordamerika werden oft Baidarkas nachgebaut, über das Internet lassen sich darüber viele Informationen gewinnen. Dabei stellte sich immer wieder heraus, dass neben den äußeren Merkmalen die inneren wesentlich sind: die aleutischen Erbauer haben sich erhebliche Mühe gegeben, das Gerüst nicht steif, sondern sehr flexibel zu bauen. Dies geschah nicht aus Materialknappheit oder gar Nachlässigkeit, schließlich hing das Überleben von einem möglichst perfekten Jagdgerät ab, sondern zielgerichtet. Viele Bauteile, die einfach aus einem Stück zu fertigen wären, sind aus mehreren Teilen zusammengesetzt und beweglich verschnürt. Teilweise waren an Reibungspunkten aufwändig hergestellte Stücke aus Knochen eingepasst. Alle Eigenheiten dieses Bootstyps werde ich hier nicht aufzählen, dazu ist dies auch nicht der richtige Ort. Der Interessierte sei hier nochmals auf im Anhang aufgeführte Literatur verwiesen.
Die Kunst beim Bau ist es, trotzdem Festigkeit in das flexible Gerüst zu bringen. Mit Flexibilität ist nicht gemeint, dass das Boot wie manches schlecht konstruierte Faltboot durchhängt wie eine Hängematte, sondern dass es bei Belastungen federnd nachgibt und danach in die ursprüngliche Form zurückkehrt. Da ich aus diversen Gründen nur Faltboote bauen will und daher auch die Baidarka ein klassisches Faltboot werden sollte, hatte ich das Problem, aus dem geschnürten Originalgerüst ein zerlegbares Faltbootgerüst zu konstruieren. Es gibt viele Abbildungen von teilweise exzellent gebauten Gerüsten in Museen sowie einige Baubeschreibungen in traditioneller oder modernisierter Art, alle in Englisch. Ich hatte außerdem das Glück, in Rudi Cooymans Werkstatt ein fast fertiges Baidarkagerüst in allen Einzelheiten begutachten zu können und zu testen, wie das Gerüst auf Belastungen reagiert. Das Gerüst ließ sich z. B. um etwa 15 cm durchbiegen, wobei sich die Bordwände in den Steven um ca. 1 cm bewegen. Zusätzlich finden Bewegungen im dreiteiligen Kiel statt. Solche Bewegungen kann eine mit Leinölerzeugnissen abgedichtete Leinenhaut problemlos mitmachen, entsprechende Faltboothäute werden dagegen zur Zeit leider nicht hergestellt. Danach war ich fast soweit, die Faltbootidee aufzugeben und in traditioneller Weise zu bauen. Es schien mir unmöglich, bei einem vertretbaren Gesamtgewicht des fertigen Bootes alle Eigenschaften des Gerüstes zu übertragen.
Nach einiger Zeit war ich aber wieder guten Mutes und fing an zu zeichnen. Ich glaubte, ein Verzicht auf Diagonalstäbe oder ähnliche Längsaussteifungen und das unvermeidbare Spiel in den Verbindungen würden ausreichende Flexibilität gewährleisten. Anders ausgedrückt, die Haut wird schon sicherstellen, dass die mögliche Durchbiegung nicht zu stark wird. Die Stabilität sollte dabei im wesentlichen durch die Höhe der Bordleisten sichergestellt werden. Diesen wichtigen Unterschied zur abendländischen Bootsbautradition findet man bei allen arktischen Kajaks: die Längsstabilität liegt in den Bordleisten und nicht im Kiel oder anderen Teilen. Die Kajaks und Baidarkas wurden sozusagen über Kopf gebaut, der Anfang waren stets die Bordleisten oder -wände, die mit Querhölzern zu einer Art Leiter verbunden wurden. Dann wurden die Spanten in großer Anzahl und geringer Stärke eingepasst und schließlich Kiel und Senten angesetzt. Bei manchen Faltbooten findet sich dieses Prinzip in den Bordwänden wieder. Etwas merkwürdig war es schon, sonst gibt man sich jede Mühe, das Bootsgerüst steif zu machen, nun soll man umdenken. Einen solchen Ansatz wie meinen finde ich ansonsten verwerflich, die Stabilität soll im Gerüst eingebaut sein und nicht nur durch das Darüberziehen einer Pelle zustandekommen. Aber das ganze Projekt hatte ja den Status eines Experiments und gelegentlich aufkommende Bedenken wurden stets mit der Überlegung beiseitegeräumt, ich könne ja immer noch Diagonalstäbe nachrüsten. Der innere Zusammenhalt eines Faltbootgerüstes sollte hingegen immer auch ohne Haut vorhanden sein. Im Gegensatz zu meinen nur lose an grönländischen Vorbildern orientierten Falteskis wollte ich diesmal ein Originalboot möglichst unverändert in den Abmessungen nachbauen. Lange schwankte ich dabei zwischen der Baidarka des British Museum (bKr 5 in John Brand, the little kayak book) und derjenigen des Lowie Museum (LM 2-14886 in David W. Zimmerly, Qayaq), die hervorragend dokumentiert ist und mittlerweile wahrscheinlich in Hunderten Exemplaren nachgebaut wurde. Beide haben ähnliche und für eine Baidarka moderate Abmessungen von ca. 5,2 m Länge und ca. 52 cm Breite. Extremere Boote haben Längen von 5,8 m bei einer Breite von weniger als 44 cm. Letzteres ist vielleicht ein Grund dafür, dass die Aleuten Ballaststeine verwendet haben. Rudi, der mehrere verschiedene Baidarkas nachgebaut und gefahren hat, bezeichnet den Typ des British Museum als seine beste, hat aber leider keinen Vergleich zu derjenigen des Lowie Museum. Seine Frau Ulla ergeht sich über das Boot in Lobeshymnen. Diese Empfehlung gab den Ausschlag für den Riss von John Brand. Aus dessen Rekonstruktion des leider in schlechtem Zustand befindlichen Originals habe ich einen Faltbootriss mit 9 Spanten entwickelt. Leider zeigte sich später, dass der veröffentliche Riss vermutlich nicht unbedingt der ursprünglichen Form des Bootes entspricht. Rudi hat das Boot noch ein zweites Mal gebaut (das erste war eher lose am Riss orientiert) und ebenfalls festgestellt, dass die so entstandene Baidarka sehr luvgierig ist. Das ausgesprochen füllige Heck hat zu viel Auftrieb, oder die Luke ist zu weit vorn. Nachbauer seien also gewarnt.
Ich habe den Spantensatz nachträglich teilweise stark verändert, das Vorschiff schärfer und das Heck schlanker gemacht. Eine Baidarka hat meist vier Senten auf jeder Seite, eine Menge Holz und Gewicht trotz des geringen Querschnittes. Ich war der Ansicht, wenn die Aleuten vier Senten je Seite für nötig erachteten, soll mein Nachbau ebenfalls vier bekommen. Ähnlich hielt ich es mit den Materialquerschnitten der Bordleisten und des Kiels, die ich den Originalquerschnitten annäherte. Da der Rumpf relativ niedrig ist und ich das Unterwasserschiff nicht modifizieren wollte, das Boot aber für Gepäckfahrten gedacht ist, übernahm ich für mehr Innenraum die Deckskonstruktion mit zwei Firststäben von Rudi Cooymans. Diese erlaubt auch, Durchreichluken in der Längsachse des Decks anzubringen. Die Konstruktion des Hecks war einfach, ich hatte aber Bedenken, ob sich die steife PVC-Haut den schwierigen Formen anpassen ließ. Ich baute ein Mock-up des Hecks aus Abfallholz und machte die Probe: es ging! Der Bug war schwieriger, letztlich wurde der untere Teil als in der Haut verbleibendes Totholz ausgeführt und die Haut nicht um den aufgeschwungenen vordersten Abschnitt gezogen. Dieser ist aus massiver Eiche (ein Leichtbau?) und hält hoffentlich auch einem Auffahren auf ein Hindernis stand. Einige Überlegungen zur Verwendung von Aluminum oder anderer, sogenannter moderner Werkstoffe für Gerüstteile sind trotz positiver Erfahrungen von Tom Yost und Nachbauern seiner Boote schnell wieder verworfen worden, da ich Holz schöner, wärmer und lebendiger finde. Außerdem komme ich mit dessen Verarbeitung allmählich zurecht. Daher ist fast alles aus Eschenholz gebaut, nur in geringem Maß habe ich Birkensperrholz verwendet. Im »Dreieck der Unvereinbarkeiten« von Gewicht, Stabilität und Packmaß musste letzteres zurückstehen, eine Verpackungslänge von 2 m fand ich noch tolerabel. Diese ergibt sich vor allem aus der sehr weit hinten liegenden Sitzluke, die mir die Optionen für entweder ein drei- oder ein fünfgeteiltes Gerüst ließ. Da jede Verbindung Spiel hat und zusätzliches Gewicht bringt, entschied ich mich für die dreigeteilte Ausführung, die auch die Zahl der Einzelteile im Rahmen hält. Letztlich war mir die Verpackungslänge gar nicht so wichtig, da ich selten mit der Bahn fahre und 2 m auch in einem kleineren Wagen ohne größere Probleme unterzubringen sind. Dafür habe ich mich bemüht, den Durchmesser der langen Stabtasche gering zu halten und die Steven am Kiel mit lösbaren Verschraubungen befestigt. Oberste Priorität sollte die Stabilität haben.
Trotzdem wollte ich natürlich ein noch tragbares Boot; es musste also gespart werden. Die Spanten sollten leicht sein und einen möglichst großen Durchreichraum haben, daher bin ich von den einfachen und soliden Sperrholzspanten abgekommen und habe formverleimte gebaut. Im ersten Anlauf waren diese im unteren Bereich aus zwei Eschenstarkfurnieren mit einer Zwischenlage aus 4 mm Birkensperrholz, im oberen aus drei Eschenleisten zu jeweils 3 mm kalt über eine Form gebogen und verleimt. Leider zeigte sich, dass die unteren Bögen der Hauptspanten den auftretenden Belastungen nicht gewachsen waren, so dass sie durch ebenfalls aus Eschenleisten verleimte Bögen ersetzt wurden. Diese Spanten sind nun herrlich stabil, wunderbar leicht und engen den Innenraum nur um 1 cm ein. Die Senten sind untereinander mit Gurtbändern aus Hautmaterial verbunden, diese werden am Kiel und an den Bordleisten befestigt. Auf eine Fixierung der Senten an den Spanten habe ich zugunsten erhöhter Flexibilität verzichtet. Auch Faulheit mag eine Rolle gespielt haben (es wären 72 Verbindungen gewesen!). Die Erprobung jedenfalls zeigte, dass eine Fixierung nicht nötig ist. Die Konstruktion folgt in weiten Teilen Lorenz Mayrs Buch, da sich diese sehr bewährt hat. Ein paar Details habe ich wie immer anders gemacht, die meisten davon lassen sich auf den Bildern erkennen.
Die Beschläge sind durchweg aus Messing und wurden entweder mit Kupfervollnieten oder mit Messingschrauben befestigt. Wichtig war mir, möglichst wenig Metall zu verwenden und die Beschläge klein zu halten. Der Herstellungsaufwand solcher Teile kann bei den benötigten Stückzahlen leicht solche Dimensionen annehmen, dass partnerschaftliche Konsequenzen zu fürchten sind. Das Gerüst erfüllt die Hoffnungen auf eine stabile und dennoch flexible Konstruktion. Dieser positive Effekt wird leider zum Großteil durch die kaum dehnbare Haut aus PVC zunichte gemacht, so dass die Beweglichkeit des aufgebauten Bootes derjenigen des Vorbilds deutlich nachsteht. Die Haut ist im Unterwasserschiff aus PVC-beschichtetem Kunstfasergewebe, recht dünn, während das Deck aus starker Baumwolle ist. Diese ist etwas schwerer als nötig, ich wollte aber diese Farbe und bekam sie nur in dieser Qualität. An Bug und Heck sind Verstärkungen aus dünnem PVC, um eine Verklebung zu ermöglichen. Vor der Luke ist ebenfalls PVC, da meine Knie ständig Kontakt zum Deck haben und sie im Fall eines Baumwolldecks dauernd nass wären. Das Unterwasserschiff ist aus zwei symmetrischen Bahnen genäht und innen und außen verklebt. Die wenigen Falten konnten einfach mit einem Heißluftgebläse weggeschrumpft werden, der Traum eines jeden Hautnähers. Ein roter Keder sorgt für etwas Farbe und sollte zur Abdichtung der Naht dienen, tut dies aber leider nicht so richtig. Hübsch finde ich ihn aber doch und will ihn nicht missen. Die Naht und das ganze Deck habe ich nachträglich von innen mit Sanitärsilikon abgedichtet. Das Gewebe ist zwar stark und dicht, aber wenn Gepäck von innen dagegen drückt, zieht Wasser ins Innere. Die Haut ist möglichst leicht gehalten, damit das Boot trotz des schweren Gerüstes tragbar bleibt. Eine Forderung an all meine Eigenbauten lautet, dass sie leer mindestens 100 m auf der Schulter zu tragen sein sollen, da ich nicht immer einen Bootswagen mitnehmen will. Noch reicht meine Kraft dafür.
Inspektionsluken aus dem Jachtbedarf haben sich bei einigen meiner anderen Boote zum Packen sehr bewährt und kommen auch hier wieder zum Einsatz. Das sehr lange Vorschiff wäre sonst kaum zu beladen. Die vielen Querseile aus Gummi haben vor allem die Aufgabe, die D-Ringe und die Leine innenbords zu halten, dienen aber auch der Befestigung von Kompass, Karte, Ersatzpaddel, Segelschirm und sonstigem Zeugs. Es muss ja eigentlich alles, was während der Fahrt benötigt wird, auch an Deck gelagert werden, da man an das Bootsinnere schlecht herankommt, bzw. in der Luke kein Platz vorhanden ist. Zwei Leinen hinter der Luke dienen dem Aufriggen eines Grönlandpaddels als Ausleger. Die ganzen Anbauten machen das Boot natürlich wieder schwerer, kommen aber nicht auf jede Fahrt mit. Einen Vorteil hat das gewählte Boot: beim Original finden sich zwei Steuer, ich konnte also ohne Stilbruch zu begehen, ein aufholbares Fußsteuer an die Baidarka anbauen. Dies ist zwar nicht unbedingt erforderlich, ich bin aber in manchen Bereichen sehr für Bequemlichkeiten zu haben und wollte auch z. B. einen Segelschirm benutzen können. Das Steuer ist nach einem ersten aus Edelstahl gefertigten Prototyp eine Eigenkonstruktion aus Holz und Aluminium. Es ist an einem tief liegenden Drehpunkt nur um 180° aufholbar, da ein auf das Achterdeck aufschwenkbares Steuer wegen des viel höheren Drehpunktes ein wesentlich längeres Blatt benötigt, an Deck einen großen Windwiderstand bietet und so die Luvgierigkeit des Bootes erhöht. Unbeladen ist das Boot sehr wendig und ohne den zusätzlichen Lateralplan des Steuers leicht luvgierig, was sich aber einfach mit Trimmen des Gepäcks ausgleichen lässt. Die Steuerblattgröße wurde dem Boot angepasst und erlaubt wunderbar entspanntes Fahren. Trotz geringer Größe des Steuerblattes ist die Manövrierbarkeit hervorragend. Die Steuerseile sind innenbords in Schläuchen geführt, so dass sie weder am Gepäck noch am Kajaksocken scheuern können. Das Boot in wenigen Zahlen: Länge 5,25 m, Breite 51,5 cm, Seitenhöhe 20,5 cm, Gewicht vollausgerüstet 21 kg. Das Volumen habe ich nicht ermittelt. Dieses Projekt hat mir in manchen Bereichen die Grenzen des Leichtbaus aufgezeigt. In der bewährtesten Lernmethode der Menschheit habe ich mich von Boot zu Boot mit immer geringeren Materialstärken zufriedengegeben, bis die Bauteile schließlich versagten und neue, stärkere angefertigt werden mussten. Der nicht gerade geringe Arbeitsaufwand dafür ist angesichts des Endproduktes schnell vergessen. Während des ganzen Baus wurden immer wieder Teile, die missraten waren, nicht so ganz passten oder nicht schön genug waren, aber immer viel Zeit gekostet hatten in den Abfall entsorgt (übrigens ein wunderschöner Euphemismus) und nochmal gebaut, manche mehrfach. Gut für das Ergebnis, sehr schlecht für die Stundenbilanz. Daher habe ich mir über die Bauzeit diesmal gar keine Sorgen gemacht und habe einfach immer nur dann gebaut, wenn mir danach war und ansonsten den ganzen Krempel in der Ecke liegen lassen. Ich habe ja schließlich noch andere Boote, die tadellos fahren.
Das Fahrverhalten in der ursprünglichen Form war als ausgesprochen gutmütig zu bezeichnen. Mein subjektiver Eindruck der Anfangsstabilität entsprach meinem Klepper T 6 Einer und war deutlich besser als bei meinen Falteskis, obwohl diese teilweise größere Breiten haben. Die Endstabilität war so hoch, dass sich das Boot ohne Stützschlag ankanten lässt, bis Wasser in die Luke läuft. Aufgrund des Umbaus hat durch die schärferen Linien des Unterwasserschiffes die Anfangsstabilität etwas gelitten. Dies wird aber mehr als wettgemacht durch die besseren Fahreigenschaften in der Welle. Sehr gefällt mir der Anblick des schier endlosen schlanken Vorschiffes aus der Sitzlukenperspektive, ein ästhetischer Genuss. Das längst nicht so elegante Heck sehe ich ja nur, wenn ich mich umdrehe. Lustig und ein wenig gewöhnungsbedürftig ist das nachgiebige Verhalten des langen Bootes in Wellen, wo man deutlich spüren kann, wie der Abstand von Fußstütze zu Rückenlehne mal mehr, mal weniger wird. In achterlichen Wellen neigt das Boot zum Surfen, bleibt aber gut kontrollierbar. Wellen schräg von achtern, die in manchen Booten zu einem unsicheren Schlangenkurs führen, machen dem Boot nicht viel aus. Die Baidarka läuft mit geringem Kraftaufwand sehr leicht und schnell. Ich fahre sie bevorzugt mit einem schmalen Grönlandpaddel, hier mag man mir einen Stilbruch vorwerfen können. Bei den bisherigen Gemeinschaftsfahrten habe ich mit den anderen (die meist englische Seekajaks mit Europaddel fuhren) mithalten können. Für Aussagen zu maximalen Geschwindigkeit fehlen Vergleichsfahrten, ein GPS habe ich dafür noch nicht benutzt.
Die Gepäckladekapazität ist ausreichend für Solo-Sommertouren und erlaubt die Mitnahme liebgewonnener Luxusgegenstände und Rotweinflaschen, ohne in Rucksackwanderermanier alles nicht zwingend Erforderliche zurücklassen zu müssen. Allerdings ist das meiste meines üblichen Fahrtengerümpels wandertauglich klein und leicht. Tisch und Stühle wird man nicht so leicht noch zu all dem anderen ins Boot bringen. Die Baidarka wurde mittlerweile bei vielen Fahrten an der Küste und in den Schären als Gepäckboot eingesetzt. Sie kann deutlich mehr Gepäck als ein Grönländer aufnehmen und verhält sich auch dann noch gut im Wellengang. Ich bin mit dem Experiment Baidarka sehr zufrieden und mag das Boot trotz oder vielleicht auch wegen seiner ungewöhnlichen Form. Ich würde es nahezu unverändert wieder bauen, sollte es notwendig werden.